Schreiben gegen das Vergessen

Wenn wir an die Shoah denken, dann meistens an die Situation in den Arbeits- und Konzentrationslagern. Der Schrecken dort ist jedoch so unvorstellbar, dass er im Rückblick surreal erscheinen kann.
Auch der Fakt, dass dort 6 Mio. Juden ums Leben gekommen sind, ist niederschmetternd, aber kaum greifbar.

Maragarete Rabows Werk überkommt die Barriere zwischen Realität und Vorstellungskraft geschickt, indem sie dem Schrecken einen Namen gibt – beziehungsweise nicht nur einen, sondern viele. Das Ziel ihres Projektes „Schreiben gegen das Vergessen“ war es, die Namen von Juden auf die Straßen ihrer ehemaligen Heimatstädte zu schreiben, die von den Nationalsozialisten deportiert und ermordet worden waren.

In Wien schaffte sie es, mithilfe vieler Freiwilliger 66 000 Namen zu schreiben, bei uns in Frankfurt waren es 11 908, die vom 24. bis zum 27. August niedergeschrieben wurden.

Auch die Max-Beckmann-Schule hat sich an dem Projekt beteiligt. Frau Bennett und Frau Kerkow von der Antirassismus-AG stellten eine jahrgangsübergreifende Gruppe aus SchülerInnen zusammen, die mitschreiben wollten.

Insgesamt waren wir dann fast 20 Personen, die sich am 26.8. auf dem Römer trafen. Von dort ging es weiter auf den Mainkai, wo wir die Namen mit weißer Kreide auf den Asphalt schreiben sollten. Hier machte uns allerdings das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Wegen des Sturmtiefs „Kirsten“ war der Aufbau im Freien unmöglich und die Veranstalter mussten flugs umdisponieren.

Der Alternativplan war es, uns die Namen im „Haus am Dom“ auf Papier schreiben zu lassen. Es dauerte aber selbstverständlich eine Weile, bis man die Räumlichkeiten dafür vorbereitet hatte. So stellten wir uns in einen windgeschützten Bereich, genossen den Anblick der neuen Altstadt und übten uns in Geduld.

Bevor es endgültig losgehen konnte, wurden wir noch um unser Einverständnis gebeten, beim Schreiben gefilmt zu werden. Bei der Aktion soll nämlich ein Film entstehen, der den Titel „11 908“ tragen und im September 2020 im Mal Sehn Kino vorgeführt werden wird.

Dann schickte man uns in einen Raum, in dem wir uns paarweise an verschiedene Tische verteilen sollten und pro Tisch eine Namensliste ausgeteilt wurde.
Man hieß uns das Papier in der Mitte zu falten, auf jede Seite einen Namen zu schreiben und die geschriebenen Namen in der Liste abzuhaken.
Gearbeitet wurde schweigend und konzentriert. Nachdem man uns gefilmt und wieder entlassen hatte, versammelten wir uns noch einmal vor dem „Haus am Dom“, um die Ereignisse des Tages zu rekapitulieren.

Als besonders beeindruckend empfanden einige, dass sich viele der Nachnamen häufig wiederholt hatten, wodurch man ein Gefühl dafür bekommen hatte, was es eigentlich bedeutet, wenn eine ganze Familie ausgelöscht wird.
Auch wurde angemerkt, dass das Schreiben der Namen der Getöteten einen dazu bringt, mehr über deren Leben erfahren zu wollen.

Derart nachdenklich gestimmt, wurden wir schließlich nach Hause entlassen.
Thea Steimer